Zwischen dem “Recht” und der “Pflicht” zu sterben

Kurienerzbischof Vincenzo Paglia hat vor einer Verrohung im Umgang mit dem Tod gewarnt. In allen modernen Gesellschaften werde der Tod “abgeschoben”, kritisierte er am Montag beim Weltfriedenstreffen der Gemeinschaft Sant’Egidio in Münster. Angehörige und Freunde nähmen nicht mehr am Sterben teil. Kinder würden konsequent vom Thema ferngehalten. Wer sterbe, sterbe meist allein. Es sei an der Zeit, der “Kultur der Einsamkeit” eine “Kultur der Begleitung und gegenseitigen Unterstützung” entgegenzusetzen, so der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben.

Paglia: Begriff “Euthanasie” wird verzerrt

Paglia beklagte auch eine zunehmende Verzerrung des Begriffs Euthanasie. Er bedeute ursprünglich ein gutes “zum Tode bringen”, nicht aber Töten, so der Erzbischof. Vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Gesellschaft wandte er sich gegen jegliche Form von Sterbehilfe. Der Grat zwischen dem “Recht” zu sterben und der “Pflicht” zu sterben sei schmaler, als bisweilen angenommen. Notwendig sei es, den Sterbenden mit größerer Humanität zu begegnen.

Paglia äußerte sich auf dem Weltfriedenstreffen bei einer Diskussionsveranstaltung über den “Wert des menschlichen Lebens”. Zuvor hatte er sein am Montag auf Deutsch erschienenes Buch “Bruder Tod” (Verlag Herder) vorgestellt. Auf mehr als 300 Seiten setzt er sich darin für eine neue Sterbekultur ein.

Es gebe auch einen “Wert, den uns ein Mensch vermittelt, der am Ende seiner Tage angelangt ist”, schreibt der Erzbischof in dem Buch. Die Erfahrungen, die Menschen bei der Begleitung von Sterbenden machen, zeigten, dass sich in den letzten Lebensstunden häufig eine neue oder zumindest unbekannte Sicht auf das Leben auftue. Wer einem Sterbenden Beistand leiste, werde sich bewusst, “wie viel Leben noch in einem solchen Menschen steckt und wie viel wir von ihm noch lernen können, gerade weil er diesen Moment gerade durchlebt”.

Paglia ist Mitbegründer von Sant’Egidio. Die geistliche Gemeinschaft setzt sich seit ihrer Gründung 1968 durch den Historiker Andrea Riccardi für Alte und Sterbende ein. In den 1980er und 1990er Jahren engagierte sie sich vor allem für die Begleitung von Aidskranken.

Gemeinsames Friedensgebet geplant

Das Weltfriedenstreffen steht unter dem Motto “Wege des Friedens”. Es war am Sonntag im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eröffnet worden.  Am heutigen Dienstag wollen in Osnabrück Vertreter verschiedener Religionen für den Frieden beten. (gho/KNA)

(Katolilsch.de)